MESTEMACHER PREIS MANAGERIN DES JAHRES

P R O F.    D R.    H E L G A    R Ü B S A M E N – W A I G M A N N

L E B E N S L A U F (Stand: 24.09.2004)

NAME: Helga Rübsamen-Waigmann
VERANTWORTUNG: Geschäftsführerin der AiCuris GmbH & Co. KG
FAMILIENSTAND: geschieden
KINDER: eins

A U S B I L D U N G / W E R D E G A N G:

1 9 6 7 – 1 9 7 1 Chemiestudium, Universität Münster
1 9 7 3 Promotion zum Dr. rer. nat.
1 9 7 3 – 1 9 7 9 Forschungsaufenthalte:
Universität Münster;
Cornell University, Ithaca, NY, USA;
Universität Gießen
1 9 7 9 – 1 9 8 1 Habilitationsstipendium der Deutschen Forschungsgemeinschaft
1 9 8 2 – 1 9 8 7 Leiterin des Departments Immun Therapie des Chemotherapeutischen Forschungsinstituts, Georg-Speyer-Haus in Frankfurt
1 9 8 3 Frankfurt: Habilitation mit dem Thema “Die Biochemie maligner Transformation.”
1 9 8 3 UND 1 9 8 5 Forschungsaufenthalte an der Harvard University, USA
1 9 8 7 – 1 9 9 3 Wissenschaftliche und geschäftsführende Direktorin des Chemotherapeutischen Forschungsinstituts Georg-Speyer-Haus, Frankfurt
SEIT 1 9 8 8 Professur an der Universität Frankfurt
1 9 9 4 – 2 0 0 1 Leiterin der Antiviralen Forschung der Bayer AG,Wuppertal
2 0 0 1 – 2 0 0 6 Leiterin der Anti-Infektiva Forschung von Bayer HealthCare, Vice President
SEIT 3 / 2 0 0 6 Geschäftsführerin der AiCuris GmbH & Co. KG (Ausgründung aus Bayer, Schwerpunkt: Medikamente gegen Infektionskrankheiten)

V E R Ö F F E N T L I C H U N G E N / A U S Z E I C H N U N G E N :

  • 180 Veröffentlichungen in internationalen Journals
  • 120 Übersichtsarbeiten oder Buchkapitel
  • Co-Editorin des Buches: “Antivirals Against AIDS”, Marcel Dekker, 2000
  • Co-Editorin des Buches: “Viral Infections and Treatment”, Marcel Dekker, 2003
  • Winnacker Preis
  • Bundesverdienstkreuz 1. Klasse
  • MESTEMACHER PREIS MANAGERIN DES JAHRES 2004

A U S S E R B E R U F L I C H E    T Ä T I G K E I T E N :

  • Vorstand der Gesellschaft für Virologie bis 2000
  • Vorstand der Deutschen AIDS Gesellschaft bis 2000
  • Vorstand der Gesellschaft Deutscher Chemiker bis 2003 (in den Jahren 2000 und 2001 Vizepräsidentin)
  • Beirat des Deutschen Museums, München bis 3/2004
  • seit 2000 Mitglied der Jury des Innovationspreises des Bundespräsidenten
  • seit 2001 Mitglied des European Research Advisory Board, EURAB
  • seit 2003 Mitglied des Universitätsrats Wien
  • seit 2004 Senatorin der Fraunhofer Gesellschaft

P O R T R Ä T, Stand: September 2004

Die Pharma-Managerin Prof. Dr. Helga Rübsamen-Waigmann

Porträt der Preisträgerin von Prof. Dr. Ulrike Detmers

Hochkarätig ist Helga Rübsamen-Waigmann als weltweite Leiterin der Anti-Infektiva Forschung von Bayer HealthCare, pädagogisch-didaktisch bildet sie als Professorin für Biochemie und Virologie Doktoranden von der Universität Frankfurt aus, fürsorglich und liebevoll kümmert sie sich als alleinerziehende Mutter um ihren fast erwachsenen Sohn.

“Kein Babyjahr für Frau Direktor” stand fest als Dr. Rolf Breuer, Ex-Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bank AG, die Hochschwangere im Jahr 1987 zur wissenschaftlichen und geschäftsführenden Direktorin des Chemotherapeutischen Forschungsinstituts, Georg-Speyer-Haus in Frankfurt ernannte. Rolf Breuer war der Vorstandsvorsitzende des Forschungsinstituts. Auf die Aufbauleistungen des heute renommierten Instituts ist Prof. Rübsamen-Waigmann stolz. “Wir waren die ersten in Deutschland, die eigene HIV-Stämme hatten, weltweit unter den ersten, die die Variationsfähigkeit von HIV erkannten, wir haben Testsysteme zum Auffinden von Medikamenten entwickelt, wir haben verschiedene Subtypen entdeckt und hatten eine langjährige Kooperation mit der Weltgesundheitsorganisation WHO auf dem AIDS-Gebiet.” Auf die Forschungsresultate nahmen die Firmen Abbott und Qiagen Lizenzen, um HIV-Tests zu entwickeln, Hoechst (heute Aventis) und Bayer schlossen umfangreiche Kooperationsverträge zur Entwicklung von HIV-Therapien ab und ließen Prüfungen auf Virussicherheit durchführen. Das Institut bot auch Serviceleistungen an, die später zu der Ausgründung der Firma Analysis führten. Ohne einen Pfennig staatlicher Fördermittel schrieb Analysis vom ersten Jahr an schwarze Zahlen und ist heute in Köln ansässig. Aber auch die Krebsforschung wurde intensiv betrieben. Die Entdeckung mehrerer Tumorgene fiel in dieselbe Zeit, sowie erste Arbeiten zur Gentherapie. Als Prof. Rübsamen-Waigmann 1994 dem Ruf der Bayer AG folgte, arbeiteten an dem Institut ca. hundert Mitarbeiter, viele über Firmen-Kooperationen, EU- und WHO-Gelder oder Mittel der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanziert. Bund und Land hatten die Gelder für die Grundsanierung des über 90 Jahre alten Gebäudes bereitgestellt.

Die Pharma-Managerin ist Team-Mensch – trotz ihrer herausragenden Leistungen hat sie die Souveränität, in der Wir-Form zu sprechen. Von Eitelkeit keine Spur.

Im Elternhaus standen Bildung und Qualifizierung an oberster Stelle. Dass ein Mädchen einen guten Beruf erlernen soll, war conditio sine qua non. Während der Vater, ein Banker, aus Familientradition den Beruf der Architektin vorschlug und die Mutter, die zunächst Hausfrau war und später Lehrerin wurde, sich auch diesen Beruf für die Tochter vorstellen konnte, entschloss sich Tochter Helga für die “Querschnittswissenschaft” Chemie an der Universität Münster. Als Dr. rer. nat. wird sie mit 24 Jahren Postdoktorandin und Forschungsassistentin an der Universität Münster, wechselt noch im selben Jahr zur Cornell University, Ithaca, New York, USA, und 2 Jahre später an die Universität Gießen. Wiederum 2 Jahre später baut sie als Habilitationsstipendiatin der Deutschen Forschungsgemeinschaft in Köln ihre eigene Arbeitsgruppe auf. Sie entwickelt sich zur Expertin für Biochemie, Zellbiologie und Virologie. Sie legt einen Schwerpunkt auf Viren, die Krebs auslösen und die Frage, was in den Zellen biochemisch passiert, wenn eine normale Zelle zu einer Krebszelle wird. Sie rundet schließlich diese Arbeiten durch einen Aufenthalt an der Harvard University USA ab, bei dem sie Gene eines menschlichen Leukämievirus analysiert. Als Leiterin der Abteilung Immunetherapie erwirbt Helga Rübsamen-Waigmann sodann die Habilitation an der Universität Frankfurt und wird als junge Mutter 1988 zur Professorin für Biochemie und Virologie ernannt mit dem Schwerpunkt Krebsforschung. Die Arbeiten an AIDS waren bereits begonnen und sehr schnell mit Erfolg gekrönt: Das AIDS-Virus HIV ist ein Verwandter der Krebsviren, die Rübsamen-Waigmann bislang studiert hatte und mit Viren dieses Typs kannte sie sich schließlich aus. In den Folgejahren verschafft sich die Forscherin einen Namen in den Forschungsgebieten AIDS, Antivirale Chemotherapie und sodann Hepatitis und Herpes – zunächst als Leiterin der Antiviralen Forschung der Bayer AG, Wuppertal und seit 2001 als Vice President und globale Leiterin der Anti-Infektiva Forschung von Bayer HealthCare. Ihre Professur setzt Prof. Rübsamen-Waigmann fort und arbeitet seit 2001 auch an neuen Antibiotika gegen resistente Bakterien.

Auf diesem Karriereweg waren einige schwierige Hürden zu nehmen. Sie hatte zwar durch die akademischen “Lehr- und Wanderjahre” nach der Promotion eine sehr tiefe und breite wissenschaftliche Kompetenz erworben, gehörte aber zu keiner akademischen “Schule” und hatte daher keine Protektion. Harvard hatte eine Assistenzprofessur angeboten, aber sie wollte nach Deutschland zurück: “In dieser Situation beschloss ich, einen Job zu nehmen, den niemand anders wollte, nämlich das Chemotherapeutische Forschungsinstitut Georg-Speyer-Haus in Frankfurt wieder aufzubauen. Am Anfang standen 3 Personalstellen, ein mickriger Jahresetat von ca. 20.000 Euro, sowie eine miserable Gebäudesubstanz”. Prof. Brede, der letzte gemeinsame Leiter von Georg-Speyer-Haus und Paul-Ehrlich Institut, ein emeritierter 65-jähriger Professor für Mikrobiologie, hatte uns aber seine Zusammenarbeit angeboten und unterstützte uns mit medizinischem Wissen. Auch waren die ersten eigenen HIV-Stämme erfolgversprechend. Die enge Kooperation mit der Universitätsklinik auf dem AIDS-Gebiet, die Gelder, die seitens der Firmen zu fließen begannen und die großzügige private Spende eines HIV-Infizierten halfen uns, über die ersten Hürden”. 1994 verlässt Prof. Rübsamen-Waigmann das inzwischen sanierte und erfolgreiche Institut, um den Top-Einstieg bei der Bayer AG als Leiterin der Virusforschung zu machen. Ihre Abteilung bei Bayer generiert diverse Entwicklungskandidaten für virale Erkrankungen und 2001 wird sie zur Leiterin der gesamten Infektionsforschung bei Bayer befördert.

Die alleinerziehende Spitzenmanagerin hat Berufsentwicklung- und Kinderbetreuung mit der Hilfe der Mutter und einer Kinderfrau vereinbart. “Ausschließlich durch private Lösungen” konnte sie Berufs- und Erziehungsmanagement unter einen Hut bringen. Anfangs durch ihren Ehemann unterstützt, ist sie nach der Scheidung mit ihrem kleinen Sohn ihren Weg weitergegangen. “Ganz entscheidend war dabei meine Mutter, die immer da war, wenn eine Kinderfrau kündigte oder krank war, wenn ich unvorhergesehen eine Dienstreise machen musste, oder einfach mal andere Tapeten sehen musste. Und ich hatte auch das Glück, dass mein jetziger Lebenspartner in der schwierigen Zeit um 14 für meinen Sohn und mich ein verständnisvoller Gesprächspartner war, der half, für so manche Auseinandersetzung über die richtige Zeit abends nach Hause zu kommen oder über die Freude an Hausaufgaben einen guten Kompromiss zu finden.”

Die diesjährige Geehrte ist Mitglied hochkarätiger wissenschaftlicher Gesellschaften. Ihre Publikationen sind einflussreich und ihr Auszeichnungsspektrum ist breit. Die Spitzenfrau, die den geachteten MESTEMACHER PREIS MANAGERIN DES JAHRES 2004 erhält, ist Trägerin des Bundesverdienstkreuzes 1. Klasse und des Winnacker Preises, sie wurde durch die Studienstiftung des Deutschen Volkes und die Deutsche Forschungsgemeinschaft gefördert. Sie ist unter anderem Mitglied der Universitätsräte Wien und Braunschweig, war in den Vorständen der Gesellschaft für Virologie, der Deutschen AIDS Gesellschaft und der Gesellschaft Deutscher Chemiker tätig und ist Senatorin der Fraunhofer Gesellschaft. Im European Advisory Board (EURAB) berät sie mit ca. 40 anderen Persönlichkeiten aus Wissenschaft und Wirtschaft die europäische Kommission in Forschungsfragen.

Der Pharma-Managerin ist wichtig, auch weiterhin in leitender Steuerungsposition die Entdeckung von innovativen Therapieprinzipien gegen schwere Krankheiten umsetzen zu können. Es ist aber auch ihre Überzeugung, dass Manager in ihrer Position bewußt dazu beitragen müssen, dass mehr Frauen Familie und Karriere verbinden können und dazu die Voraussetzungen zu schaffen. Auch auf diesem Gebiet ist sie daher aktiv. “Unser Land kann es sich einfach nicht leisten, unter den Hochschulabgängern 50% hochqualifizierte Frauen auszubilden, aber nur 9.6 % in der industriellen Forschung in Deutschland einzusetzen”, wie ihre EU-Studie “Women in Industrial Research” zeigt. Und: “Wir können doch nicht wirklich auf fast die Hälfte unserer innovativen Köpfe verzichten, nur weil unsere Gesellschaft die Kinderbetreuung nicht geregelt bekommt. Andere EU-Länder sind dabei viel weiter. In Irland arbeiten beispielsweise 28% Frauen in der industriellen Forschung.” Eine Frau, die in die hall of fame gehört, eine Managerin, die mit ihrem ganz individuellen Stil bewiesen hat, dass sie in vielen Bereichen erfolgreich sein kann – und die sich immer wieder neuen Herausforderungen stellt.

Geschäftsadresse: Bayer HealthCare AG, Aprather Weg 18a, 42096 Wuppertal, Tel: 0202/364143