MESTEMACHER PREIS MANAGERIN DES JAHRES

Porträt der Preisträgerin des
MESTEMACHER PREISES MANAGERIN DES JAHRES 2010

Chefeinkäuferin für Amerika – Birgit A. Behrendt

von Prof. Dr. Ulrike Detmers

Birgit A. Behrendt wird mit dem MESTEMACHER PREIS MANAGERIN DES JAHRES 2010 ausgezeichnet. Die Ex-Chefin des Einkaufs von Ford of Europe ist in die Unternehmenszentrale der Ford Motor Company eingezogen.

Den Blick auf den Kölner Dom gibt’s demnächst nicht mehr live. Birgit Behrendt, die bis Ende Juni 2010 Mitglied des Vorstandes und Vice President Purchasing in Köln für Ford of Europe war, hat das Angebot ihres Chefs, des Group Vice President des globalen Ford-Einkaufs, Tony Brown, angenommen. Seit Juli 2010 ist sie im globalen Ford-Einkauf für Nord- und Südamerika, Kanada und Mexiko sowie die globalen Fahrzeug- und Antriebsprogramme der Ford Motor Company zuständig. Mit Birgit A. Behrendt hat sich Brown eine der erfolgreichsten Chefeinkäuferinnen ins amerikanische Topmanagement geholt. Behrendt leitet die Geschäfte ihres über 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter umfassenden globalen Einkaufsteams von Dearborn aus, der Heimatstadt von Henry Ford. Hier hat die Ford Motor Company ihre Zentrale. Die gebürtige Kölnerin weiß, wie es in Dearborn und Umgebung aussieht. Sie hat dort bereits in den Jahren 1998 bis 2004 für Ford gearbeitet. Aus dieser Zeit stammt auch die Zuneigung zu der Region und den Großen Seen in der Nähe von Detroit.

Mit dem Wechsel in die Vereinigten Staaten steigt Birgit A. Behrendts Budgetverantwortung. Als Einkaufschefin bei Ford Europe umfasste ihr Einkaufsetat etwa
20 Mrd. $. In ihrer neuen Rolle könnten es Schätzungen zufolge 35 Mrd. $ jährlich sein.

Die 50-Jährige hat sich für die neue Aufgabe in der Weltzentrale von Ford bestens qualifiziert. Die Betriebswirtin kennt das Unternehmen seit 1978.

In diesem Jahr begann sie nach dem Abitur bei den Kölner Ford-Werken eine Ausbildung zur Industriekauffrau. Seither hat sie in ihrem ehemaligen Ausbildungsbetrieb eine Traumkarriere gemacht. Nach der Lehre entschließt sie sich, weiter für ihren Ausbildungsbetrieb zu arbeiten und parallel zu studieren. Studieren nach der Arbeit erfordert Durchhaltevermögen. Sie hat es. „Ich wollte mich doch nicht blamieren“, erzählt sie. Mit der beruflichen Karriere geht es bei den Ford-Werken schnell weiter. Die Kölnerin arbeitet im Einkaufsbereich. Von dort aus wechselt sie 1998 zum ersten Mal nach Dearborn. Ihre Fähigkeiten und Erfolge werden von ihren Vorgesetzten wahrgenommen und anerkannt.

„Ich bin mir nicht sicher, ob ich in einem urdeutschen Unternehmen in den 1980er und 90er Jahren die Chancen für eine vergleichbare berufliche Weiterentwicklung bekommen hätte,“ meint sie und schließt mit ein, dass es für qualifizierte Frauen in amerikanischen Unternehmen besser als in deutschen möglich ist, aufzusteigen. Sie erinnert sich in dem Zusammenhang an einen ehemaligen deutschen Vorgesetzten und dessen Zweifel an ihrer Durchsetzungsfähigkeit. Dieser wollte damals auch wissen, wie ihre Kinder- und Familienplanung aussähe. Sie ärgert sich und kommt zu dem Entschluss, dass sie Zeichen setzen will. Sie tut es. Als Vorgesetzte befördert sie eine Mitarbeiterin noch während deren Schwangerschaft; die junge Mutter steigt nach der Geburt ihres Kindes wieder in das Arbeitsleben ein. „Sie war einfach die beste Kandidatin”, erinnert sich Behrendt. Systematisch holt sie qualifizierte Frauen in ihr Einkaufsteam, etwa 40 Prozent beträgt der weibliche Anteil. Vorbehalte gegenüber berufstätigen Frauen mit Familie sind ihr fremd. Im Jahr 2002 erhält Birgit A. Behrendt die Ford interne Auszeichnung „Worklife Recognition Award“ des Eltern-Netzwerkes in den Vereinigten Staaten. Ihr Engagement für Weiterbildung ihrer Mitarbeiter im Einkauf wird im gleichen Jahr gewürdigt. Ihre fachlichen Leistungen werden ebenfalls mit einer großen Anzahl an Ehrungen respektiert. Doch die herausragenden Leistungen für Ford of Europe halten so manchen deutschen Redakteur nicht davon ab, sie zu fragen, ob sie als Frau im Vorstand für die „soziale Komponente” zuständig sei. Das hätte man einen männlichen Kollegen nie gefragt, meint Behrendt, die bei Ford of Europe viel erreicht hat.

Die Chefeinkäuferin hat unter anderem das von Ford weltweit verfolgte “Aligned Business Framework“-Modell bei Ford of Europe eingeführt.

Damit hat sie einen entscheidenden Anteil daran, dass die Zahl der Zulieferer reduziert wird. Von rund 2000 auf „maximal 750 bis 850“, sagte sie 2009 im Exklusiv-Interview der Fachzeitschrift Automobil Produktion. Nach dem Willen Behrendts sollen die verbliebenen Zulieferer jedoch viel enger und langfristiger mit Ford zusammenarbeiten. Ihre Gesprächspartner produzieren in Asien, Europa und den USA. Mit diesen will sie die Geschäftsbeziehungen langfristig weiter entwickeln, so dass diese Partnerschaften für beide Seiten Vorteile bieten. „Wir verbürgen uns im “Aligned Business Framework“ für Verlässlichkeit und Planbarkeit“, sagt die neue US-Einkaufschefin bei Ford.

In der Automobilbranche wird die Chefeinkäuferin wegen ihrer Verlässlichkeit und ihren klaren Worten sehr geschätzt. Sie gehört schon lange dazu – zum Netzwerk der Chefs der Automotive Industry. Die Kollegen bewundern ihren Aufstieg von der Auszubildenden zur Spitzenmanagerin. Die Tochter eines Angestellten und einer Hausfrau hängt ihr Fähnchen nicht nach dem Wind. Sie gilt als fleißig, belastbar und durchsetzungsstark. Birgit Behrendt packt Dinge schnell an, sie ist pragmatisch und orientiert sich an Fakten. „Bei mir wird nichts unter den Teppich gekehrt“, gibt sie unumwunden zu. Alle müssen ehrlich miteinander umgehen, anders kann das Geschäft nicht funktionieren. Sie erwartet Ehrlichkeit von allen, mit denen sie zu tun hat. Dabei spielt es für sie keine Rolle, welche Position die Gesprächspartner haben.

Mit ihrem Ehemann, der ihr den Rücken freihält, teilt die Topmanagerin einige Hobbys. Beide lieben das Wasser und ab und an das Motorradfahren. Herr Behrendt kocht gern für seine Frau und Freunde. Er ist flexibel und siedelt mit seiner Frau Birgit über nach Dearborn. Im “International Newcomers Club“ war er 1998 der einzige Mann. Damals begleitete er seine Frau das erste Mal nach Amerika. „Wie geht’s Deinem Mann?“, fragten damals die Anrufer aus Deutschland oft. „Man hatte wohl wesentlich mehr Sorge, ob er sich in seine neue Rolle einfindet, als dass Birgit ihre neue berufliche Herausforderung nicht meistert”, erzählt Behrendt lachend.

Zu ungewöhnlich fand man 1998 diese Rollenverteilung. Ob das heute, zwölf Jahre später, wohl wieder so sein wird?