Mestemacher Preis Spitzenvater des Jahres 2006
Grußwort anlässlich des Mestemacher Preis “Spitzenvater des Jahres”
von Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Historisch betrachtet sind Spitzenväter eine Rarität. Väter wie Zeus oder King Lear galten als ungeduldig, mürrisch oder zornig. Solche Vaterfiguren sind jedem von uns bekannt, dafür brauchen wir gar nicht allzu weit in die Vergangenheit zurückzublicken. Noch in der beliebten Familienserie der 70er Jahre “Ein Herz und eine Seele” ist das “Ekel Alfred” ein Familienvater, den man an Muffigkeit und Misanthropie kaum übertreffen kann. Vaterschaft in der Retrospektive betrachtet, verweist primär auf Strenge und Ernst, auf Distanz und Sprachlosigkeit und auf eine Verantwortung, die oft als erdrückende Last erscheint.
Wenn wir uns das vor Augen halten, können wir erleichtert aufatmen, denn in den letzten Jahrzehnten ist die Vaterrolle in unserer Gesellschaft stark in Bewegung geraten. Männer verbinden Vaterschaft heutzutage mit Sinn und Erfüllung im Leben. Sie sehen ihre Rolle in der Familie weniger als Ernährer denn als Erzieher ihrer Kinder. Einer Umfrage der Zeitschrift Eltern zufolge, stimmen 52 Prozent der befragten Väter der Aussage zu: “Ich genieße es richtig, Vater zu sein.”
Das väterliche Engagement hat seit den 70er Jahren deutlich zugenommen. Im Durchschnitt beteiligen sich heute rund ein Drittel der Männer zwischen 25 und 45 Jahren aktiv an der täglichen Kinderbetreuung. Je kleiner das Kind ist, desto höher fällt das zeitliche Engagement der Väter aus: Bei Kindern unter drei Jahren sind 81 Prozent der Väter mit einem durchschnittlichen Zeitumfang von gut 1,5 Stunden täglich eingebunden, so der Väterforscher Peter Döge. Vätern ist wichtig, ihren Kindern ein Vorbild zu sein. Hier ist nicht mehr die Außenwirkung entscheidendes Motiv, vielmehr spiegelt sich diese Haltung ganz konkret in der familiären Arbeitsteilung wider: 69 Prozent der Männer finden es wichtig, dass man sich als Vater um sein Kind kümmert. Unumstritten ist inzwischen auch die Annahme, dass beide Elternteile für die kindliche Entwicklung von Bedeutung sind.
Dennoch liegt noch ein langer Weg vor uns: Von den befragten Vätern der Eltern-Studie gaben 41 Prozent an, dass sie sich gerne mehr um ihre Kinder kümmern würden, als es der Beruf zulässt. Doch drei von vier Männern befürchten berufliche Nachteile, wenn sie eine Zeit lang ihrem Beruf nicht nachgehen oder ihre Arbeitszeit reduzieren. Obwohl 78 Prozent der Männer die Elternzeit als wichtiges Angebot werten, nimmt sie nicht einmal jeder zwanzigste Mann in Anspruch. Nur knapp 5 Prozent der Väter teilen sich die Elternzeit – gleichzeitig oder zeitversetzt – mit der Mutter.
Damit bleiben die meisten Väter sowohl hinter ihren eigenen Erwartungen als auch hinter denen ihrer Partnerin weit zurück und leiden unter der Zerrissenheit zwischen Beruf und Familie.
Neben den beruflichen Nachteilen, die Männer durch eine aktive Vaterschaft befürchten, zählt vor allem der Einkommensverlust als wesentliches Hindernis für eine steigende Beteiligung der Väter an der Elternzeit. An diesem Punkt setzen wir an, wenn wir im nächsten Jahr das Elterngeld einführen werden. Der Achterbahneffekt, den das Einkommen junger Familien derzeit nach der Geburt eines Kindes erfährt, wird durch eine Lohnfortzahlung in Höhe von 67 Prozent des vorherigen Nettoeinkommens deutlich abgemildert.
Ein anderer wesentlicher Aspekt am Elterngeld ist die Neuerung, dass zwei Monate für den jeweils anderen Elternteil reserviert sind, das wird in der Regel der Vater sein. Meine Idee, Väter mit der gesetzlichen Regelung deutlicher einzubeziehen, ist als Unterstützung all jener gedacht, die sich mehr Erziehungsbeteiligung wünschen. Ich erhoffe mir davon eine Weiterentwicklung der Vaterrolle wie in Schweden, wo die “Vatermonate” seit vielen Jahren etabliert sind. Dort nutzen bereits 80 Prozent der Väter ihre Elternzeit.
Ich möchte dazu beitragen, dass unser Vaterland ein “Väterland” wird. Denn wir brauchen ein stärkeres Engagement der Väter für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Wenn es uns gelingt, Vätern – insbesondere Vätern in Führungspositionen – mehr Freiraum für die Familie zu verschaffen, dann unterstützen wir damit einen tief greifenden Bewusstseinswandel, von dem wir alle profitieren werden: die Mütter, die Väter und die Kinder in unserem Land – und unsere Unternehmen. Deshalb freue ich mich darüber, dass auch der Bundespräsident die Vater-Monate im Elterngeld ausdrücklich befürwortet. Ich freue mich insbesondere darüber, dass Unternehmen wie die Mestemacher- Gruppe Engagement für Väter zeigen und dass Mestemacher seine Aktivitäten im Bereich des Social Marketing auf die Väter ausgeweitet hat.
Aus diesem Grunde habe ich gerne die Schirmherrschaft für den Preis an den “Spitzenvater des Jahres” übernommen. Ich bin sicher: Vorbilder dieser Art bewirken, dass unsere Kinder sich in Zukunft an Väter erinnern können, die selbstverständlich an ihrer Erziehung beteiligt waren. Vaterrollen sind im Wandel – tragen wir alle dazu bei, dass wir in Zukunft Vaterschaft mit Fürsorge und Einfühlsamkeit, mit Engagement und Lebensfreude verbinden werden.