MESTEMACHER PREIS MANAGERIN DES JAHRES
Festrede Mestermacher, 21.09.07
Frauen in Führungspositionen
Sehr verehrte Damen und Herren, verehrte Frau Prof. Detmers, liebe Festgäste,
ich freue mich sehr, dass ich heute hier sein darf, und gebeten wurde, über die Situation von Frauen in Führungspositionen bei uns in Deutschland zu reden.
Eine der wenigen Top-Managerinnen in Deutschland hat einmal gesagt: “Es ist wahrscheinlicher, dass eine Frau vom Blitz erschlagen wird, als dass sie in den Vorstand eines deutschen Unternehmens aufsteigt.” – Das Zitat stammt von Dr. Sylvia Rothblum, sie ist promovierte Sinologin und Managing Director bei Time Warner in München. Sie muss wissen, wovon sie spricht, denn sie war viele Jahre in großen deutschen Unternehmen in leitenden Positionen tätig. Vom Blitz ist sie dennoch nicht getroffen worden – das macht Hoffnung!
Und tatsächlich: Im Schnitt sind heutzutage in Deutschlands Großunternehmen nur 11,8 Prozent der Manager weiblich, alarmiert eine Studie des Wirtschafts-informationsdienstes Hoppenstedt. Ganz nach oben kommen dabei die wenigsten. Von den rund 10-tausend Vorständen großer deutscher Unternehmen gibt es gerade mal 300 Frauen – das sind kümmerliche 3 Prozent!
Ganz abgesehen von der ersten Börsenliga: Bei den 30 Unternehmen im Deutschen Aktien-Index gibt es derzeit überhaupt kein weibliches Vorstandsmitglied.
Woran mag das liegen? Darüber wird viel spekuliert. Eins steht fest: Mangelnde Qualifikation von Frauen kann nicht der Grund sein: Sie sind – laut Untersuchungen – genauso gut ausgebildet wie Männer. Oft sind ihre Schulzeugnisse und ihre Studienabschlüsse sogar noch besser als die ihrer männlichen Kollegen. Frauen stehen an Fachkompetenz den Männern also nichts nach. –
Und trotzdem: Die deutsche Wirtschaft bleibt fest in Männerhand.
Auch in meinem Metier, den Medien, ist der Anteil der weiblichen Führungskräfte erstaunlich gering: In den Vorstandsetagen der Fernsehsender und Verlage, unter den Intendanten, den Chefredakteuren und Herausgebern gibt es – bis auf wenige Ausnahmen – nur Männer. Dabei machten Frauen in vielen Medienbetrieben mittlerweile bald die Hälfte des Personals aus.
Und dennoch: Es gibt auch Positives zu vermelden:
die Frauen in den Medien sind langsam – aber unaufhaltsam auf dem Vormarsch: Im mittleren Management, in technischen oder redaktionellen Bereichen haben sie sich in den vergangenen Jahren vielerorts breit gemacht. So manche Domäne, die früher ausschliesslich Männern vorbehalten war, ist längst von den Frauen besiedelt worden. Die Ressorts Politik beispielsweise oder Wirtschaft oder aber auch der Sport.
Erfreulich ist etwa die Riege prominenter Fernsehmoderatoren: Noch vor nicht allzu langer Zeit wäre es Männern undenkbar gewesen, Frauen politische Streitgespräche im Fernsehen moderieren zu lassen. Barbara Diekmann war damals die erste Frau, die bei den Tagesthemen, einer klassisch männerdominierten Nachrichtensendung, auf dem prominenten Moderatoren-Sessel Platz nehmen durfte. –
Heute prägen toughe Frauen wie Anne Will, Maybrit Illner, Sandra Maischberger, den politischen Talk im deutschen Fernsehen. Wohlgemerkt den sogenannten Hard Talk, bei dem höchster politischer Sachverstand gefordert ist. Demgegenüber werden zwei eher als soft geltende Talkshows von Männern moderiert: Reinhold Beckmann und Johannes B. Kerner.
Also: Sind Frauen hier demzufolge mächtig auf dem Vormarsch? Ist die Zukunft des deutschen Fernsehens weiblich?
Ganz so ist es wohl doch nicht: Denn: Eins darf Frauen unter keinen Umständen passieren: Sie dürfen keine Fehler machen! Sonst ist es schnell aus mit der Karriere oder zumindest gibt es einen gehörigen Dämpfer.
Das wohl berühmteste Beispiel dafür ist die legendäre Geschichte um die Fernsehmoderatorin Carmen Thomas!
Sie erinnern sich: 1973 sollte Carmen Thomas Deutschlands erste Sportmoderatorin werden, in einer Sendung, die bislang von Männern gemacht wurde, weil sie für Männer gemacht wurde: Dem Aktuellen Sportstudio, ein nationales Heiligtum.
26 Jahre alt ist Carmen Thomas, als sie vom damaligen ZDF-Sportchef Hanns-Jochaim Friedrichs geholt wird, weil die einst guten Einschaltquoten des Sportstudios zu sinken begannen. Carmen Thomas hat sich als WDR-Reporterin einen Namen gemacht, strahlt Lebensfreude aus und weiß sich unter Männern durchzusetzen. Das ZDF gibt eine Pressemitteilung heraus, in der es bezeichnenderweise heißt:
»Um bei den Zuschauern des Sportstudios nicht die Reaktion Na ja, eine Frau auszulösen, wird sich Carmen Thomas noch eine Portion Fachwissen aneignen.«
Nach ihrer ersten Sendung sind viele Zuschauer begeistert. Sie wirke sehr natürlich auf dem Fernsehschirm. »Ein Sportmoderator mit Busen«, lobt der Stern und lässt die Moderatorin für eine Fotoserie auf einem Trampolin springen.
Ihre fünfte Sendung, wenige Monate später, wird sie jedoch nie vergessen. Am 21. Juli 1973 läuft die Intertoto-Runde im Fußball: Deutschlands berühmtester Verein, der FC Schalke 04, verliert gegen Standard Lüttich. Doch Carmen Thomas passiert etwas, das niemals hätte passieren dürfen: Sie verspricht sich: und sagt statt Schalke 04 – »Schalke 05«!
Ein Fauxpas, der ungeheure Wellen schlägt! Die Zeitungskommentatoren zerreißen die junge Moderatorin und ihre Sendung. Fans beschimpfen sie. In Leserbriefen heißt es:
»Gehen Sie an Ihren Kochtopf und kochen Sie Ihr Süppchen, aber verschonen Sie uns Sportler mit Ihrem vermännlichten Gesicht.«
Oder auch:
»Eine Frau, die mit 26 Jahren noch den eigenen Lebensunterhalt verdienen muß, das spricht doch für sich!«
Carmen Thomas durfte das Aktuelle Sportstudio zwar noch weitermoderieren, doch sie war gebrandtmarkt für immer.
Ein winziger unbedeutender Versprecher hat Carmen Thomas Leben bis heute bestimmt: Woche für Woche, so schilderte sie einmal in einem Interview, kommt noch heute irgendeiner und fragt, meist sehr vorsichtig, manchmal therapeutisch sanft:
Frau Thomas, sagen Sie mal, wie war das denn damals mit 05? Wie konnte Ihnen dieser Versprecher unterlaufen? –
Sage und schreibe 34 Jahre ist das nun schon her und noch immer ist dieser Fehler in den Köpfen der Menschen so präsent, als ob er gestern passiert wäre.
Dieser vergleichsweise läppische Versprecher hat bewirkt, dass Männer Frauen jahrzehntelang den Zugang zu Sportmoderationen verwehrt haben.
“Frauen dürfen alles, nur nichts falsch machen,” ist eine banale aber eben leider auch richtige Wahrheit. Viel beklagt, aber auch immer wieder durch die Realität bestätigt: Frauen müssen auf den gleichen Posten wie Männer oft erkennbar mehr Leistung zeigen!
Bei der Besetzung von Führungsposten in der Wirtschaft spielen nach wie vor Geschlechts-stereotypen eine starke Rolle: Bei einer Befragung von Führungskräften in Westeuropa durch Catalyst wurde nach den hervorstechendsten Qualitäten von männlichen und weiblichen Führungskräften gefragt:
Das Ergebnis: Frauen wurde eindeutig der Begriff “Care taking” , also Fürsorge, zugeordnet. Mit männlichen Führungskräften verband man dagegen den Begriff “Taking Charge”, also eine Aufgabe in die Hand nehmen. Die Frauen, das schwache Geschlecht also.
Das nach wie vor traditionelle Rollenverständnis prägt bei uns in Deutschland auch die Begrifflichkeiten: Unternehmerinnen werden an einer männlich-dominierten Norm gemessen.
Sie sind die “hart arbeitenden Powerfrauen”, die “es geschafft haben”, die “schlau sind”, “Energie und Härte” zeigen und – dabei oft auch noch gut aussehen!
Und wenn die erfolgreiche Frau neben ihrem Beruf auch noch Kinder groß ziehen, wird sie darüberhinaus gefragt: “Wie schaffen Sie das bloss?” – Haben Sie schon mal gehört, dass man einen Mann in einer Führungsposition, der Kinder hat, das gleiche fragt?
Bei solchen Denkmustern und Rollenbildern wundert es wenig, dass Frauen es schwer haben, in Führungspositionen zu gelangen. Erstaunlicherweise ist das ganz anders in vielen anderen europäischen Staaten:
Eine Studie der Personalberatung Boyden International kommt zu dem Schluss, dass in kaum einer anderen Volkswirtschaft der Anteil von Top-Managerinnen unter den Beschäftigten so niedrig ist wie in Deutschland: Selbst unser Nachbarland Polen ist da viel offener und moderner. Fast jeder zweite vermittelte Manager ist in Polen eine Frau. Vorbild Polen!
Sogar in der Türkei, bekanntlich einem muslimisch geprägtem Land, nimmt der Anteil der weiblichen Führungskräfte stetig zu, stellt das Personalberatungsunternehmen fest. Ein Blick über den Tellerrand ist also lohnend.
Auch in Skandinavien – wie kaum anders zu erwarten – sind weibliche High-Potentials in allen Wirtschaftsbereichen zu finden. Und der Anteil der Frauen in den Führungsetagen wächst zudem.
Nicht nur in der Wirtschaft, auch in der Politik machen uns die Skandinavier was vor: Die finnische Regierung stellt den Weltrekord auf, was die Anzahl von Frauen im Kabinett angeht: Die Regierung wird hier gebildet aus 7 Ministern und – man höre und staune – 12 MinisterInnen! Und in der Pole Position selbstverständlich eine PremierministerIN.
Es wird wohl noch Jahre dauern, bis das bei uns soweit ist. – Oder nicht? Kann sich das Rad schneller herumdrehen als wir denken? Holen die Frauen auf, nach und nach? Es gibt viele Anzeichen, die dafür sprechen – immerhin haben wir seit 2 Jahren schon eine KanzlerIN !
“Den Arbeitsmarkt von morgen werden die Frauen beherrschen”, schrieb kürzlich die Frankfurter Allgemeine Zeitung und grübelte: “Sind Männer in Zukunft das schwächere Geschlecht?” Schon wird darüber nachgedacht, welche Stärke Frauen aus ihren besonderen Fähigkeiten entwickeln könnten: Frauen, so die FAZ, seien gebildet, flexibel und als Fachkräfte gefragt. In Zeiten der Globalisierung könnten sie sich besser und schneller an neue Arbeits-Situationen anpassen als die Männer.
Auch unter demografischen Gesichtspunkten – ein wichtiger Faktor – spricht einiges dafür, dass die Frauen künftig eine stärkere Rolle spielen könnten: 2010 gilt als das Jahr, in dem sich die demografischen Verhältnisse in Deutschland umzukehren beginnen. Wissenschaftler erwarten, dass schon in 3 Jahren die Zahl der jungen Leute, die auf den Arbeitsmarkt drängen, geringer wird. Mehr Alte werden in Rente gehen, als Junge nachrücken können. Hier sehen Demografen eine Chance für die jungen Frauen. Sie könnten die entstehenden Lücken auf dem Arbeitsmarkt füllen.
Kompetenz ist allemal vorhanden bei den Frauen. Sie stellen inzwischen die Hälfte der Studierenden und Absolventen an deutschen Hochschulen. Eine Umfrage der Technischen Universität Darmstadt ergab, dass Frauen zielstrebiger studieren und häufiger Auslandssemester einlegen.
Auch das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung rechnet damit, dass junge Frauen aufholen. Sie hätten die jungen Männer in weiten Bereichen der allgemeinen und berufliche Bildung inzwischen überholt! Der Frauenanteil an Fachkräften, so die Universität Darmstadt, werde weiter ansteigen.
Ob all diese Prognosen stimmen, mag dahin gestellt sein. Fest steht: Frauen werden in Führungspositionen gebraucht. Nicht nur weil der Arbeitsmarkt es eines Tages vielleicht so einfordert, sondern auch weil sie neben ihrer Fachkompetenz besondere, eben weibliche Eigenschaften mitbringen.
Frauen sind die besseren Manager, behauptet Sylvia Rothblum, die oben erwähnte Top-Managerin bei Time Warner. Vor allem Frauen mit Kindern, sagt sie, bringen oft ein hohes Mass an sozialer Kompetenz mit, das man in Großunternehmen erwarte: Kommunikations- und Teamfähigkeit, Selbstorganisation, Flexibilität, unternehmerisches Denken. Alles Eigenschaften, die Frauen erlernen, – erlernen müssen, wenn sie Kinder groß ziehen.
Warum sind Mütter dann aber nicht nach der Familienpause die begehrtesten und meistumworbensten Mitarbeiter und werden in Führungspositionen gehievt, fragt Sylvia Rothblum. Und sie gibt die Antwort: Wir Frauen müssen uns da auch an die eigene Nase fassen. Warum verkaufen wir unsere Fähigkeiten, die wir durch “Learning by Doing” im Haushalt und mit den Kindern erworben haben, nicht offensiver nach außen? Welcher Frau ist tatsächlich bewusst, welche Fähigkeiten sie besitzt, die für ein Unternehmen wertvoll sein können?
Immer mehr Personalverantwortliche betonen, wie wichtig bei der Einstellung neben fachlichen Kompetenzen auch die sogenannten Soft Skills sind, die sozialen Eigenschaften. Je höher die Position im Unternehmen, sagen sie, desto mehr soziale Kompetenzen werden erwartet, egal wie sie erworben wurden.
Logische Konsequenz: Wir Frauen brauchen noch mehr Selbstbewusstsein als bisher! Wir müssen uns klar machen, welche Stärken und welche Fähigkeiten in uns stecken und offensiv damit werben, auch wenn uns Frauen das nicht so liegt. Natürlich ist das nicht so einfach. Was braucht wir deshalb? Was hilft dabei?
Ich meine, vor allem gute Vorbilder! Frauen, die es, um den Klischee-Ausdruck noch einmal zu verwenden, “geschafft” haben. Frauen, die uns zeigen, wie sie sich in Top-Management-Positionen in einer Männerwelt behaupten. Welchen Weg sie gegangen sind, wie sie dahin kamen, wo sie sind und welche Ziele sie haben. Auch von ihren Fehlern können wir lernen, wenn sie bereit sind, darüber zu sprechen.
Was wir brauchen, sind mutige Frauen, die ihren eigenen, oft unkonventionellen Weg gefunden haben, ihr Leben zu führen. arrierefrauen, die sich für ihren Beruf und oftmals gleichzeitig auch für eine Familie entschlossen haben.
Frauen eben wie die, die heute ausgezeichnet werden soll. Deshalb freue ich mich außerordentlich, dass es solche Preise gibt – wie ihn Mestermacher heute stiftet – Preise, die Ausnahmefrauen in den Mittelpunkt rücken und ein Signal setzt. Das hilft uns allen.
Ich möchte meine Rede mit einem Zitat beenden, ein Zitat des marokkanischen Schriftstellers Tahar Ben Jelloun:
Auf die Frage, was die Frauen der westlichen Welt von den Araberinnen lernen können, sagt er einmal: “Ich glaube, sie machen den Fehler, Errungenschaften für garantiert zu halten. Aber Freiheiten müssen jeden Tag neu verteidigt werden.”
In diesem Sinne, – ich danke Ihnen sehr fürs Zuhören!