MESTEMACHER PREIS MANAGERIN DES JAHRES

Porträt der Preisträgerin des
MESTEMACHER PREISES MANAGERIN DES JAHRES 2012

Die Pionierin – Dr. Sigrid Evelyn Nikutta

von Prof. Dr. Ulrike Detmers

Landfrauen, Unternehmerfrauen im Handwerk und im Mittelstand mischten häufig trotz Kinderschar dabei mit, den Familienbetrieb aufzubauen und zu führen. Das geschah freilich im Hintergrund, denn es war für sie nicht schicklich, sich mit dem Ehemann öffentlich auf Augenhöhe zu zeigen. Übrigens gilt das in vielen Unternehmerfamilien auch heute noch: Die mithelfende Ehefrau mit Kindern bleibt im Hintergrund, während der Unternehmergatte nach außen hin das große Rad dreht. Leitende weibliche Angestellte im Top-Management sind nachweislich auch im 21. Jahrhundert mehr Ausnahme als Regel.
Und: Frauen in der obersten Leitungsebene, die Beruf und Familie mit Kindern zu vereinbaren haben, sind auch mit der Lupe kaum zu finden.

Aus diesem Grund ist Dr. Sigrid Evelyn Nikutta für mich die Wegbereiterin für hochqualifizierte Mütter ins Top-Management par excellence. Die promovierte Psychologin und Mutter von vier Kindern führt ausgeglichen und weise voller Besonnenheit die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG). Sie ist im obersten Leitungsgremium Vorsitzende des Vorstands Betrieb. Wie hat die diesjährige Preisträgerin das geschafft? Zur Rekonstruktion ihrer Spitzenkarriere lohnt es sich, ihre familiären Erfahrungen genauer anzusehen. Evelyn Sigrid Nikutta wird 1969 im ehemaligen Ostpreußen geboren. Beide Großeltern besaßen dort bis zum Krieg ländliche Anwesen. Nach dem Einmarsch der russischen Armee wurde der Großvater von russischen Soldaten verschleppt und umgebracht. Die Großmutter stand mit ihren drei kleinen Kindern alleine da. „Du musst immer für Dich selber sorgen können“, hatte ihre Großmutter ihr später beigebracht. Da war die Familie längst aus dem heutigen Polen ausgereist. Dr. Nikutta war erst zwei Monate alt, als ihre Familie neue Wurzeln bei Bielefeld in Ostwestfalen schlagen musste. Der Neuaufbau einer Existenz brachte es mit sich, dass sie viel Handwerkliches vom Vater beigebracht bekam. Sie wurde mit Technik groß und hat sich von den Technikern nie ein X für ein U vormachen lassen. Das kommt ihr noch heute zugute. Technischen Problemen geht sie auch als Vorstandsvorsitzende der Berliner Verkehrsbetriebe bis auf den Grund. Sie will wissen, warum etwas so läuft, wie es läuft. Mit dieser Art, Personal zu führen, hat sich die promovierte Top-Managerin Respekt erworben. Aber nicht nur mit ihrer Gründlichkeit, sondern auch mit ihrem Führungsstil, den sie als demokratisch und kooperativ beschreibt. „Es kommt immer auf die Menschen an“, äußert sie. Kommunikative Kompetenz zählt die mit dem MESTEMACHER PREIS MANAGERIN DES JAHRES Geehrte zu ihren Stärken. Betont gewichtiges Auftreten liegt Dr. Nikutta nicht. Freundlich ist sie zu allen, unabhängig von der Stellung im Gesamtgefüge. Wer es so wie sie geschafft hat, durch Leistung und Durchsetzungskraft Karriere zu machen, muss nicht zwanghaft von klassischen Symbolen der (männlichen) Macht Gebrauch machen. Ihr Aufstieg zeigt jedoch deutlich, dass sie sich nie hat unterkriegen lassen. „Seien Sie doch froh, dass Sie als Frau so weit gekommen sind. Seien Sie doch dankbar.“ Diese Sätze eines ehemaligen Vorgesetzten provozierten die aufstiegswillige Fachkraft damals zum verbalen Frontalangriff. „Denken Sie, dass ich nur, weil ich Frau bin, mich mit dem Erreichten zufrieden geben soll?“, erwidert sie ihrem Gegenüber. Eingefahrene und überkommene Vorstellungen hinterfragt sie immer wieder mal auf ihrem Weg nach oben kritisch. Bei solchen Klischees und Stereotypien kommt Dr. Nikutta nur mit Psychologie weiter – was ihr ja nicht schwer fällt.
Während des Psychologiestudiums an der Universität Bielefeld arbeitet sie studienbegleitend bei der heutigen Horstmann-Gruppe. Sie weiß, was sie kann, und trägt ihrem Chef unverblümt vor, was sie dort im Unternehmen erreichen möchte.
Die Berufseinsteigerin kriegt was sie will. Im Bereich Management und Restrukturierung begleitet Dr. Nikutta Change Management Prozesse. Drei Jahre später ist sie neugierig auf andere Unternehmen in Deutschland. Die talentierte Nachwuchsmanagerin wechselt zur Deutschen Bahn AG. Sie arbeitet in der Personalentwicklung und in verschiedenen Leitungsfunktionen in Dresden und Frankfurt am Main. Innerhalb des Deutsche Bahn Konzerns wird sie Personalleiterin in Duisburg und Mainz für die DB-Logistiktochter DB Schenker Rail. In diesem Schienengüterbereich steigt sie zur Leiterin Produktion und Sprecherin der Geschäftsführung des Transportbereichs Ganzzugverkehrs auf. Damit ist sie die Chefin aller Lokführer und Loks im Güterverkehr der Deutschen Bahn. Kurz vor ihrem Wechsel ins Vorstandsressort der Berliner Verkehrsbetriebe ernennt sie der Aufsichtsrat der DB zum Vorstand Produktion der DB Schenker Rail in Zabrze, Polen.

Selbstverständlich hat sie während der Geburten ihrer Kinder die Mutterschutzzeit genommen und sich trotzdem weiter um die Geschäfte gekümmert. Ihr Mann, ihre Familie und Ganztagskinderbetreuung haben ihr dabei den notwendigen Freiraum verschafft. Ihr Mann und sie erziehen die Kinder gemeinsam. „In meiner knappen Freizeit bin ich nur für meine Familie da. Mein Hobby sind meine Kinder. Sie und mein glückliches Familienleben motivieren mich zu meinen beruflichen und familiären Leistungen.“

Geht doch, oder: Die Vereinbarkeit von Spitzenjobs und Familie. Hoffentlich begreifen das inzwischen mehr Aufsichtsräte und Gesellschafter. Wenn sie mit gutem Beispiel voran gehen, macht es auch die Belegschaft nach.